Daniel: In den wenigen Augenblicken vor Abflug lasse ich die letzten Wochen noch einmal Revue passieren. Bis vor wenigen Tagen war ich noch fest im Projekt eingespannt und bin regelmäßig von München nach Leipzig gependelt, um die letzten Dinge zu regeln und die Übergabe meiner Themen bestmöglich vorzubereiten. Zwischendrin blieb wenig Zeit, über meinen bevorstehenden 26-stündigen Flug in der kommenden Woche nachzudenken. Vielleicht auch ganz gut so, um den Gefühlsmix zwischen Aufregung und Ungewissheit für das, was kommt, etwas einzudämpfen. Mit einem weinenden und einem lachenden Auge verabschiede ich mich von meinen lieb gewonnenen Kollegen und Freunden. Ein letztes Mal wurden die verbliebenen Kartons ins Auto gepackt. Eine letzte Fahrt von München nach Münster. Dort, wo ich die letzten Tage in völlig entspannter Atmosphäre mit meiner Familie genossen habe. Kaum zu glauben, dass es nun endlich losgeht. Mich erwartet ein Flug von Frankfurt nach Auckland mit einem kurzen Stopover in Shanghai. Erwartete Ankunftszeit 7 Uhr in der Früh. Nicht morgen, sondern in zwei Tagen! Ob ich nervös bin? Ja, vielleicht ein bisschen. Aber nicht so sehr wie sonst. Vielmehr überwiegt die Vorfreude, meinen Liebling schon bald wieder zu sehen. In der Abflughalle verabschiede ich mich von den besten Eltern der Welt, die mich bis hier begleitet und unterstützt haben.

Conny: Ich bin total überrascht, wie gelassen Daniel bei unserem letzten Skype Gespräch wirkt. Wahrscheinlich bin ich diesmal aufgeregter als er selbst. Dass dieser Typ mal alleine in den Flieger steigen und mir ans andere Ende der Welt folgen würde, hätte weder ich noch jemand anders aus seinem näheren Umfeld – und schon gar nicht er selber – in Erwägung gezogen. Einfach unfassbar, dass das gerade wirklich passiert. Am 14. Januar standen wir uns das letzte mal gegenüber. Das war vor sieben Wochen. Nicht einmal zwei Monate her und doch fühlt es sich an wie eine halbe Ewigkeit. Wenn ich überlege, was meine Schwester und ich in diesen Wochen alles erlebt haben. Wir trafen uns in Bangkok. Einen Tag später, als ich Daniel nach unserem Urlaub in Kambodscha und Vietnam verabschiedete. Ich kann mich nicht daran erinnern, wann Daia und ich das letzte Mal so viel Zeit miteinander verbracht, soviel Abenteuer zusammen erlebt und so ausgelassen gelacht haben. Wir sind im Osten Thailands als Volunteer gestartet, um im Elephant Nature Park – Projekt zu unterstützen und haben uns anschließend im Norden von Thailand gegenseitig das Rollerfahren beigebracht. Von Chiang Mai, Pai nach Chiang Rai, einen kurzen Abstecher ins goldene Dreieck und wieder zurück nach Bangkok. Dann ging es auf die Philippinen, wo wir von einer schönen Insel zur nächsten gehüpft sind.
Im Norden haben wir doch tatsächlich das herausfordernde Drei-Tage-Trekking durch Dschungel und Reisterrassen überlebt, haben an einem einsamen Strand auf Palawan übernachtet, der ausschließlich per Boot zu erreichen ist, wir sind auf Apo Island mit riesigen Meeresschildkröten getaucht und haben uns heimlich in Siquior Island verliebt. Wir haben über meine Steißbeinprellung, die sich bei einem Sprung von 14m Höhe ins Wasser auf Cebu zugetragen hat, noch tagelang gelacht (ich konnte ungelogen vier Wochen später noch nicht sitzen) und zu Ed Sheeran Songs auf Boracay barfuß im Sand getanzt. Die letzten Tage verbrachten wir gemeinsam in Sydney, wo wir an diesem Morgen Abschied voneinander genommen haben. Daia widmet sich nun wieder dem Geldverdienen in Australien für die letzten drei Monate ihres Working Holiday Visa. Ich dagegen bereite mich auf den neuseeländischen Winter vor und steige dick eingepackt ins Flugzeug nach Auckland.

Daniel: Halbzeit in Shanghai. Der erste Flug ist überstanden. Auf direktem Weg geht es zum Transitschalter. Kurz vor Abflug habe ich jedoch noch das obligatorische Rückflug-Ticket aus Neuseeland gebucht. Wie sich jetzt herausstellt, war das auch gut so. Sonst hätte die Reise am Shanghaier Airport erstmal ein jähes Ende genommen. Weiter gehts durch einen separaten Eingang zurück in den Abflugbereich. Läuft. Nun doch ein wenig erleichtert, lasse ich mich auf den Sesseln nieder und kann nun entspannt auf das Boarding warten. Bereit für die zweite Etappe der nicht enden wollenden Reise.
Conny: Es ist schon spät als ich in Auckland ankomme. Okay, so kalt, wie erwartet, ist es ja gar nicht. Für heute Nacht checke ich in ein Mehrbettzimmer eines Hostels unweit vom Airport ein. Die Bewertungen auf dem Buchungsportal sind miserabel. Die Unterkünfte im Zentrum schneiden nicht unbedingt viel besser ab. Und weil es mir wichtig ist, möglichst nahe am Flughafen zu sein, um morgen pünktlich und unkompliziert zurück zu gelangen, bleibe ich und sage mir: So schlimm kann’s ja nicht sein. Die Wahrheit: Oh doch, und sogar noch viel schlimmer! Ich bin ja echt nicht zimperlich, wenn es mal nicht blitzblank ist. Aber diesmal zögere ich sogar, meinen Backpack auf dem dreckigen Teppich abzustellen. Gleichzeitig stelle ich mir vor, wie mich Bedbugs heute Nacht zerfleischen würden. Vorsichtig inspiziere ich die Matratze bis ins kleinste Detail. Dann breite ich meinen Hüttenschlafsack auf dem Bett aus. Ich fasse nix an, verkneife es mir auf die Toilette zu gehen und benutze auf gar keinen Fall diese Dusche. Es ist bereits 1 Uhr in der Nacht. Eigentlich nicht sehr verwunderlich, dass ich in dieser Nacht kein Auge zu mache. Ich bin mir nicht sicher, ob es der Ekel ist, der mich von meinem Schlaf abhält oder die Aufregung, Daniel endlich wieder zu sehen. Auf jeden Fall bin ich froh wie schon lange nicht mehr, als ich nur wenige Stunden später endlich den Wecker höre und mich ad-hoc auf den Weg zurück machen kann.
Daniel: Die letzten Minuten vergehen dann überraschenderweise doch viel schneller als gedacht. Endlich raus aus meiner Klappstellung im Flieger. Kia Ora, Neuseeland! Am Kofferband schnappe ich mir meinen Backpack und eile vor in Richtung Ankunftshalle, wo SIE hoffentlich schon warten müsste… wenn sie mal ausnahmsweise pünktlich ist. Jetzt sind es nur noch wenige Minuten, die uns voneinander trennen. Wie lange hatte ich mir diesen Augenblick herbeigesehnt.
Conny: Viel zu früh sitze ich gespannt vor der Arrival – Anzeigetafel, fokussiert auf diese eine Flugnummer. Na endlich! Flugstatus: Gelandet. Die Schiebetür öffnet sich im Sekundentakt. Keines der unzählig fremden Gesichter entgeht mir, während sie an mir rasch vorbei ziehen. Dann steigt die Aufregung ins Unermessliche. Denn plötzlich kommt ER auf mich zu. So groß, so schmal und so weiß wie eine Kalkleiste.
Daniel: Die Müdigkeit, die mich noch die letzten Stunden beschäftigt hat, ist wie weggeblasen. Nach einem letzten Sicherheitscheck erreiche ich den Ausgang. Dort, wo sie mir hinter der Absperrung mit freudestrahlenden Augen um den Hals fällt und ich sie fest in meine Arme schließe.
Conny: Daniel erzählt mir von seinem Langzeitflug und dem Stopover in Shanghai. Nicht über Telefon. Nicht über Skype. Er ist wirklich hier, so greifbar nahe. Bei einem frisch gerösteten schwarzen Kaffee, so wie er ihn am liebsten mag, sitzen wir noch eine Weile in der Ankunftshalle, bevor wir uns via Bus auf den Weg nach Long Bay, etwa 1h nördlich von Auckland machen. Ein Beach House – die perfekte Location um den Tag mit ausgedehntem Frühstück bis spät in den Nachmittag im Bett zu verbringen und uns auszumalen, wie die nächsten Monate in Neuseeland wohl aussehen könnten.
