Neuseeland – Camper Van gesucht

Nach der vierten Absage des vierten Anbieters mit der Begründung „es seien nur noch die großen Camper in der nächst höheren Preisklasse – also deutlich über unserem Budget – verfügbar“, fangen wir an, nach Alternativen zu suchen. Wir sind schlichtweg zu spät dran, um einen Low Budget Van bei einem der renommierten Vermieterportale abzugreifen. Äußerst ungern wollen wir unser geplantes Budget direkt zu Anfang aufstocken. Die beiden Inseln mit dem Bus zu bereisen, kommt auf keinen Fall in Frage. Viel zu sehr haben wir uns auf einen Roadtrip gefreut. Damit ist die Entscheidung quasi gefallen. Eigentlich wollten wir mieten. Jetzt kaufen wir doch. Heute würden wir es als die Ironie des Schicksals bezeichnen.


Die Qual der Wahl

Bei den unzählig vielen Angeboten im Internet, ist die Auswahl an Gebrauchtwagen mit teilweise schon komplett ausgestatteter Schlafkabine und Camper-Ausrüstung unfassbar riesig. Da wird schon etwas für uns dabei sein. Alles gut und schön, aber was ist, wenn wir uns mit teuren Reparaturen herumschlagen müssen? Was ist, wenn der Motor hochgeht und alles Geld verloren ist? Was ist, wenn der Roadtrip zum Horrortrip wird? So ein Autokauf passiert bei uns schließlich nicht alle Tage.

Wir ermutigen uns gegenseitig. Es bleibt uns nichts anderes übrig, als auf unseren gesunden Menschenverstand, unser technisches Verständnis (wovon wir in unserem Fall grundsätzlich ausgehen sollten) und auf unsere gute Menschenkenntnis zu setzen. Come On, packen wir es an.

Zunächst machen wir uns mit den Verkaufsportalen von Gebrauchtwagen in Neuseeland bekannt. Das Angebot ist überwältigend. Vorab für Klarheit zu sorgen, nach was man sucht, hilft ungemein.

Modelltyp – Nach ausreichender Recherche hinsichtlich Zuverlässigkeit sowie Kosten von Ersatzteilen und sonstigen Reparaturen der einzelnen Modelltypen, fällt unsere Wahl ganz klar auf einen Toyota Estima – der Klassiker auf Neuseelands Straßen. Mit dem Volumen eines Familienvans bietet er ausreichend Platz – bei maximaler Robustheit und gutem Preis-Leistungsverhältnis. Klingt vielversprechend.

Startpunkt – Unser Roadtrip soll in Christchurch starten. Dafür gibt es einen guten Grund. Während der Winter auf der Südinsel richtig knackig werden kann, sind die Temperaturen in den Wintermonaten im Norden vergleichsweise mild. Da wir nicht gerade scharf darauf sind, bei eisigen Temperaturen im Auto zu schlafen, wollen wir den Süden noch vor Wintereinbruch bereisen.

Preis – Wir überlegen strategisch, was wir bereit wären, maximal zu verlieren. Damit halten wir das Risiko möglichst gering, uns in den Ruin zu treiben, falls etwas mit dem Van wäre. Dabei orientieren wir uns an dem Mietpreis für einen Low Budget Camper Van für zwei Monate. Das käme dem Preis gleich, den wir – wie ursprünglich geplant – sowieso gezahlt hätten. Ob wir bei dem Wiederverkauf Profit herausschlagen werden? Wohl eher nicht. Wir werden voraussichtlich im Juni – also im neuseeländischen Winter – verkaufen. Ein sehr ungünstiger Monat, einen Camper Van los zu bekommen. Denn wo keine Backpacker, da auch keine Nachfrage.

Somit setzen wir den Filter auf Modelltyp: Toyota Estima, Verfügbarkeit in: Christchurch, Budget: 2500NZD und klicken uns durch die immer noch vielen Angebote. Auch wenn der Profit – Gedanke bei unserer Rechnung außen vor bleibt, behalten wir den Wiederverkaufswert im Hinterkopf, wenn es um die Auswahl unserer Favoriten geht. Kriterien wie allgemeiner Zustand, Baujahr, Kilometerstand, Gültigkeit von TÜV und Zulassung (WOF / Rego) sollten logischerweise clever hinterfragt werden.

Noch in Auckland haben wir bereits einige Besichtigungstermine für die kommenden Tage ausgemacht. Auf dem Weg zum Flughafen sticht uns jedoch eine Anzeige auf Facebook ganz besonders ins Auge. Direkt nach Ankunft in Christchurch könnten wir vorbeischauen. Und weil es eh auf dem Weg zum Hostel liegt, ist das für uns sogar ziemlich praktisch. Kritisch betrachten wir den Van von allen Seiten, umkreisen ihn mindestens 156 mal, legen uns rein, legen uns drunter, Motorhaube auf und wieder zu. Im Vorhinein haben wir uns über typisch bekannte Schäden im Internet informiert und legen auf die Schwachstellen des Estimas ganz besonderen Wert. Bis auf optische Kleinigkeiten und eine defekte elektrische Zentralverriegelung sind keine funktionalen Mängel zu erkennen. Sweet seventeen und noch ordentlich in Schuss. Der Motor läuft ruhig. Etwa 276.000 km auf der Uhr. Der Innenraum sehr gepflegt und clever ausgebaut: Eine Matratze über die gesamte Breite hinter der ersten Sitzreihe, darunter genug Stauraum für unser Hab und Gut. Sogar ein eingebautes Regal im Kofferraum, das viel Fläche für Ablage bietet. Unter seiner geöffneten Heckklappe ist genügend Patz, um unsere Mahlzeiten zuzubereiten – egal bei welchem Wetter.

Die komplette Ausstattung, die zum Camperlife nötig ist, inklusive: Gaskocher, Kochutensilien, Geschirr und Besteck, Kühlbox, Klapptisch und -stühle, Bettwäsche und vieles mehr. Volltreffer!

Wir schauen uns nicht nur das Fahrzeug an, sondern auch ganz besonders die beiden, die uns den Wagen verkaufen möchten. Das ist – unserer Meinung nach – bei einer Kaufentscheidung mindestens genauso wichtig. Durch gezielte Fragen erhält man relativ schnell das Gefühl, ob der Verkäufer einen übers Ohr hauen möchte oder ob er seriös und ehrlich wirkt. Auch wenn der Sympathiefaktor zwischen Käufer und Verkäufer eine gewisse Vertrauensbasis schafft, eine Kontrolle ist natürlich immer besser. Ein kurzer Check in der nächstgelegenen Werkstatt schafft Klarheit über den tatsächlichen Zustand des Fahrzeuges und ist – bei jedem noch so kleinen Zweifel – immer zu empfehlen.

Da das Bauchgefühl in allen entscheidenden Faktoren stimmt und der verhandelte Preis mehr als fair ist, schlagen wir ein. Wir sind uns sicher: DAS isser!

Neuseeland, Roadtrip - Unser Camper Van, die Wahl faellt auf einen 2000er Toyota Estima
Unser Camper Van – die Wahl fällt auf einen 2000er Toyota Estima

Noch am gleichen Nachmittag melden wir den Wagen um, schließen eine Autoversicherung ab und sagen alle anderen Besichtigungstermine für die nächsten Tage ab. Ab sofort dürfen wir uns also stolze Besitzer eines Camper Vans aus zweiter Hand nennen. Unser Zuhause für die nächsten beiden Monate. Und in seinem Zuhause möchte man sich doch auch wohlfühlen, nicht wahr?


Schöner Wohnen

Voller Begeisterung statten wir „Harry“ mit Dingen aus, die für unseren Roadtrip einfach unerlässlich sind. Der Schutzengel, den uns Mum mit auf die Reise gegeben hat, findet seinen Ehrenplatz am Rückspiegel zwischen uns, wo er ab sofort fröhlich munter wild umherschwingt. Die kitschige Solar-Lichterkette aus dem Warehouse setzt im Innenraum stimmungsvolle Wohlfühlakzente. Das wild verknotete Befestigungskonzept der umlaufenden grauen Vorhänge unserer Vorgänger ersetzen wir durch ein natürliches Bastseil aus dem Baumarkt, an dem wir die leichten Stoffe mittels Wäscheklammern aus Holz anbringen. Die Weingläser (natürlich aus Glas) aus dem Second Hand Laden um die Ecke werden stilecht hängend in einer kreativen Befestigung gehalten. Zusammen mit dem festinstallierten Bieröffner an der Vorderkante des Regals könnte man meinen, es handele sich mehr um „eine fahrende Bar“ als eine praktische Camper – Einrichtung. Wolfgang, deine Worte.

Neuseeland, Roadtrip - geöffneter Kofferraum von Harry mit unserer Ausstattung zum taeglichen Leben

Um es etwas abzukürzen: Für uns ist „Harry“ eben nicht nur ein praktischer, fahrbarer Untersatz. Wie auch? Er ist unser stetiger Begleiter, Teil unseres großen Abenteuers. Er dient als Schlafgemach und Rückzugsort zugleich.

Da steht er nun. Zur Abfahrt bereit.


Raus aus der Komfortzone, rein ins Abenteuer

Vorgestern noch in Auckland, seit gestern Besitzer eines eigenen Camper Vans. Zur Feier des Tages gönnen wir uns eine Flasche neuseeländischen Sauvignon Blanc und lernen ganz nebenbei Felix und Christina kennen, die sich morgen ebenfalls in das Abenteuer Roadtrip stürzen. Mit ihnen lassen wir den Abend gemütlich ausklingen und plaudern noch bis spät in die Nacht.

Gerade als wir den beiden die Story von unserem Blitzkauf erzählen, müssen wir selber schmunzeln. Nicht nur, dass wir so schnell fündig geworden sind, sondern vor allem, weil wir auch direkt zugeschlagen haben. Eher untypisch für uns. Na, wenn uns das mal nicht zum Verhängnis werden würde…

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