Frisch gebadet und allesamt in festlicher Kleidung erreichen die Dorfbewohner den Tempel. Ob Mann oder Frau, alle tragen Sarongs, ein Tuch, das um die Hüfte zu einem Wickelrock gebunden wird. Frauen tragen die hübsch dekorierten Opfergaben auf dem Kopf. Mit auffälligem Make Up, hochgesteckter Frisur und Blüten im Haar. Sie tragen halb transparente Blusenoberteile aus feiner Spitze, überwiegend weiß oder in satten Farben. Die Männer tragen weiße Hemden, vereinzelt mit Jacket drüber. Auf dem Kopf tragen sie ein Tuch, das zu einem Stirnband geknotet ist.
Wir sind zu Gast auf einem der balinesischen Tempelfeste. Odalan ist der Jahrestag der Einweihung eines Tempels und wird alle 210 Tage (entspricht einem balinesischen Kalenderjahr) gefeiert. Ein Fest, an dem sich das gesamte Dorf versammelt, um den Göttern für ihre Gutmütigkeit zu danken und die Gemeinschaft des Dorfes zu stärken.
Im Hintergrund ertönen für uns fremd wirkende Klänge, die aus einem Orchester aus Trommeln, Flöten und Xylophonen ertönen. An den Instrumenten eine Gruppe aus etwa zwanzig Männern – unter ihnen auch Putu, unser Gastgeber. Gamelan heißt diese Musik. Unstetig im Takt – mal sinnlich und ruhig, dann schnell und laut – aber stets gekonnt aufeinander abgestimmt.
Wir nehmen auf einem kleinen gemauerten Podest inmitten des Geschehens Platz und blicken geradewegs auf den vollen Tisch mit den Opfergaben, die aus Reiskuchen, Obst, Süßigkeiten und gegrilltem Fleisch, ja sogar einem gesamten Spanferkel, bestehen. Vor allem Wasser und Reis sind heilige Symbole des Lebens.
Am Mikro begrüßt ein Mann die Dorfbewohner auf indonesisch und benennt die eingegangenen Spenden für die Gemeinde in Persona. Das dauert eine Weile. Dann erscheint ein Mann in weißer Kleidung – wie alle anderen Männer um uns herum auch. Doch er scheint eine besondere Rolle an diesem Tag einzunehmen. Vor dem Tisch lässt er sich die Füße waschen, nimmt einen großen Schluck aus einem Kelch und spuckt ihn nach wenigen Sekunden wieder aus, wickelt sich in weiße Tücher und dreht sich zu den vielen Opfergaben um. Dann bekommt er von den Frauen eine weiße Jacke, einen Gurt aus Tüchern um die Hüfte und Schmuck mit großzügigen Details umgelegt. In den nächsten Stunden ist er damit beschäftigt, das mitgebrachte Essen zu segnen, während um ihn herum der Trubel weitergeht.
Es wird stundenlang getanzt, gesungen und gelacht. Zwei Gruppen von Frauen führen traditionelle Tänze zu den Klängen des Männerorchesters vor. Der Tanz sei ein Ausdruck der balinesischen Seele. Man sagt, dass den kleinen Mädchen das Tanzen mit den Händen gelehrt wird, noch bevor sie überhaupt laufen können. Die Bewegungen sind flüssig und dynamisch. Neben dem angestrengten Gesicht und den einstudierten Schritten nehmen die Hände eine extravagante Rolle ein. Mit überspreizten Fingern und kreisenden Bewegungsabläufen gleiten sie entlang des Körpers zur Musik.
Dann wird es plötzlich ganz still. Alle setzen sich auf den Boden nieder. Nach der sehr unterhaltsamen Zeremonie schließt sich das Gebet an. Es werden Räucherstäbchen verteilt und Gebetschöre gesprochen. Auch wir werden in die Gemeinschaft eingeschlossen und mit Palmwedel und Weihwasser gesegnet. Das heilige Wasser wird in Silberschalen von einigen Frauen herumgereicht, in denen wir erst die Hände eintauchen und anschließend – mit der rechten Hand in die linke gelegt – unser Gesicht befeuchten. Die Stimmung wirkt ernst und betörend. Ganz anders als noch vor ein paar Minuten zuvor. Ein paar Reihen schräg neben uns wird es etwas unruhig. Ein Betender verhält sich plötzlich ganz merkwürdig, macht ruckartige Bewegungen. Sein Körper krampft. Wenig später verliert er das Bewusstsein und wird auf einen Tisch getragen. Er sei in Trance gefallen. Das sagt man uns. Mehr als Antwort bekommen wir nicht. Damit endet die Zeremonie und schon herrscht Aufbruchstimmung. Mit tausend neuen Eindrücken und den gesegneten Opfergaben unter dem Arm geht es wieder zurück in das Zuhause von Putu und seiner Familie, um den Abend in gemütlicher Runde mit Palmenwein, Reiskuchen und frischem Obst ausklingen zu lassen.
Mit dieser neuen Erfahrung verlassen wir unsere ans Herz gewachsene Gastfamilie.
Einen Monat später die Erdbebenkatastrophe auf Lombok mit hunderten Todesopfern. Bis auf wenige Schäden am Haustempel sind Putu und seine Familie zum Glück unversehrt davongekommen. Erdbeben sind neben Vulkanausbrüchen leider keine Seltenheit. Immer wieder kommt es zu kleinen und leider auch zu schweren Beben. Und das ist kein Zufall, denn Indonesien liegt im Bereich einer seismisch besonders kritischen Zone oder anders gesagt auf dem pazifischen Feuerring.
Vielleicht gerade deswegen ist der Glaube, die Hoffnung und der Zusammenhalt so wichtig. Wir wünschen seiner Familie und allen anderen Betroffenen alles Liebe für die Zukunft.