Indonesien, Flores – Inselabenteuer per Mitfahrer

Am Steuer sitzt ein Typ mit Rastazöpfchen und Dauergrinsen. Mit einer durchschnittlichen Geschwindigkeit von etwa 15km/h wenden wir uns langsam aber sicher um die 180-Grad-Kurven auf der Hauptstraße Richtung Osten. Wir sind überrascht von den Straßenverhältnissen. Die sind hier ausgesprochen gut. Aus dem Fenster blicken wir auf einen immensen Urwald, der uns umgibt. Stellenweise blitzt der Indische Ozean am Horizont durch, sobald wir eine höher gelegene Position erreicht haben.

Die grüne Kulisse von Flores
Die grüne Kulisse von Flores

1. Etappe: Labuan Bajo – Ruteng

Neben uns zwei Nonnen, die unglaublich aufgeschlossen sind und gutes Englisch sprechen. Es sei der dritte Tag, an dem sie sich auf der Heimkehr von ihrer Mission in Sibirien befinden. Sie würden vom Vatikan in Rom geschickt, um Kindern und Jugendlichen den christlichen Glauben näher zu bringen und damit einen Funken Hoffnung für ihre Zukunft zu streuen. Sie sind verärgert über die Eltern, die den ganzen Tag nur Wodka trinken würden, während die Kinder unter Hunger und Kälte leiden. Zu Recht. Alle drei Jahre kehren die beiden Schwestern für zwei bis drei Monate in ihre Heimat zurück. Der Zeitpunkt ist gekommen. Wir begleiten sie auf ihren letzten 135km bis zu ihrem Zuhause. Im Vergleich zu den westlich gelagerten, mehrheitlich muslimischen, indonesischen Inseln wie Sumbawa, Lombok, Java, etc., ist die Bevölkerung hier auf Flores größtenteils katholischen Glaubens.

Es gibt vereinzelte Abenteuerlustige, die diesen Weg auf dem Roller zurück legen. Aufgrund unseren schweren Backpacks haben wir uns bewusst für die eindeutig komfortablere Variante, das public car, entschieden. Es ähnelt dem Konzept der Mitfahrgelegenheit bzw. BlaBlaCar in Deutschland. Nur dass das Mitfahren nicht über das Web oder gar eine App arrangiert wird – das wäre für Flores wahrscheinlich zu fortschrittlich gedacht und bei dem mangelnden Internetempfang vielleicht auch nicht unbedingt die beste Option. Im Grunde ist es jedoch genauso simpel. Man trifft immer auf jemanden, der jemanden kennt, der zufällig in die gewünschte Richtung fährt. Oder noch einfacher: Man braucht sich eigentlich nur mit den Backpacks an den Straßenrand zu stellen. Es dauert keine halbe Stunde, bis ein Fahrer dich samt Gepäck in sein Auto einlädt – ganz ohne ausgestreckten Anhalterdaumen. Dafür zahlt man ein paar Euros. Der faire Preis liegt bei 100-150km etwa bei um die 6€. Ähnlich wie in Deutschland. Überraschend viel für südostasiatische Verhältnisse.

Hier gibt es grundsätzlich zwei wesentliche Unterschiede:

1. Der Platz im Auto wird voll ausgereizt, d.h. die Anzahl der Sitzplätze ist für die Zahl der Insassen keineswegs maßgebend. Während wir in Deutschland schon ziemlich genervt sind, sobald wir in ein fast besetztes Auto mit vier Personen steigen, rücken die Menschen hier gerne zusammen. Niemand wird am Straßenrand stehen gelassen. Sehr bemerkenswert! Auch wenn man sich den Beifahrersitz mit einer fremden Person für die nächsten fünf Stunden teilen muss – no problem!

2. Die Abfahrtzeiten sind auf keinen Zeitpunkt festgelegt. Man sollte also ausreichend flexibel sein, was die Reise als Mitfahrer angeht. Abfahrt ist dann, wenn das Auto (über)voll und das Gepäck sicher auf dem Dach geschnürt und verknotet ist.

Ganze fünf Stunden später verabschieden wir uns von unseren lieb gewonnen Mitfahrern und wünschen eine gute Weiterreise. Ruteng ist in den Bergen gelegen. Das Klima ist hier deutlich kühler. Die Klamotten fühlen sich direkt klamm an. Unser Gasthaus liegt außerhalb vom Stadtzentrum inmitten weitläufiger Reisterrassen.

Aussicht von unserem Gasthaus auf die Reisterassen von Ruteng
Aussicht von unserem Gasthaus auf die Reisterassen von Ruteng
Die Henker´s Mahlzeit: Nasi Goreng - morgen, mittags, abends
Die Henker´s Mahlzeit: Nasi Goreng – morgen, mittags, abends

Die Aussicht ist grandios. Das Zimmer ist einfach gehalten. Das Badezimmer – für unseren Geschmack – etwas sehr schlicht. Wir finden eine Kloschüssel ohne Spülung vor. Das ist in diesen Regionen der Regelfall und für uns mittlerweile auch voll in Ordnung. Gespült wird mit einer Kelle Wasser. Das große Aber: Wir haben hier weder ein Waschbecken, noch eine Dusche. Auf Nachfrage schaut uns die Gastgeberin verwundert an. Na klar, gäbe es eine Dusche. Sie zeigt auf den Wasserschlauch neben der Toilette, den du eigentlich immer in asiatischen Toiletten vorfinden kannst.

>> Ein kurzer Exkurs für alle, die mit dem Thema WC-Kultur in asiatischen Ländern noch nicht vertraut sind: Dieser Schlauch mit Sprühkopf ersetzt den westlichen Luxus von Toilettenpapier. Das bedeutet konkret: Gesäubert wird mit Wasser und (linker) Hand. Toilettenpapier wird, wenn überhaupt, nur für Touristen angeschafft. Dieses wird nicht die Toilette heruntergespült, sondern in einem Eimer neben der Toilette entsorgt, um das Verstopfen der Rohre zu vermeiden. Da das Toilettenpapier jedoch meist Mangelware ist, haben wir immer genug Taschentücher dabei. Just in case… <<

Unsere großen Fragezeichen sind uns noch immer ins Gesicht geschrieben. Wir sollen uns also mit der Popobrause…? Der Schlauch ist etwa 1m lang. Das Wasser eiskalt. Na, das kann ja was werden.

Standart Badezimmer in einem Homestay auf Flores
Standard Badezimmer in einem Homestay auf Flores

Das Abenteuer SIM Karte

Auf der Suche nach einer SIM-Karte begeben wir uns in das Zentrum. Wir blicken in neugierige Gesichter, werden von Kids auf indonesisch interviewt und werden von Männern zum Arak trinken eingeladen. Wir klappern (ungelogen!) sieben Läden ab und werden immer wieder weitergeschickt. Die Sprachbarriere ist die größte Hürde. Mit Hand und Fuß versuchen wir uns zu verständigen. Wie es der Zufall will, treffen wir unterwegs auf zwei Studenten, die uns die nächsten drei Stunden begleiten, um einerseits ihr Englisch aufzubessern, andererseits uns zu helfen. Unsere Rettung! Mit ihnen stoßen wir auf den siebten Laden. Und tatsächlich, die SIM Karte von Telkomsel, die wir suchen, ist verfügbar. Die Verkäuferin weigert sich jedoch die Registrierung dieser Karte für uns zu übernehmen. Denn ohne Indonesischen Pass, keine Registrierung möglich. Aber das ist nicht ganz richtig. Mit unserer SIM zuvor auf Lombok war das überhaupt kein Problem. Wir verzweifeln, die Jungs übersetzen, die Dame hinter dem Tresen schüttelt konsequent den Kopf. Wir haben keine Chance. Eigentlich wollten wir hier bereits aufgeben, doch die Jungs überreden uns zu einem letzen Versuch im nächsten Laden um die Ecke. Diesmal klappt es sogar ganz unproblematisch!

Nach den ersten Tagen auf Flores ist uns nämlich eins klar geworden: Ganz im Gegenteil zu manch anderen Gegenden sollte man sich hier besser auf den Mobilfunk und sein „4G“-Netz verlassen, sofern man die nächste Unterkunft noch am Vorabend buchen möchte. Ein funktionierendes, stabiles Wifi haben wir nie wirklich gefunden…

2. Etappe: Ruteng – Bajawa

Wir sitzen zu elft in einem Auto, das eigentlich nur für sechs Personen ausgelegt ist. Die Mägen der drei Kinder auf den Schößen ihrer Eltern eine Reihe vor uns halten den vielen Kurven nicht sehr lange Stand. Und schon geht’s im Wechsel los. Die Plastiktüten füllen sich von mal zu mal. Sobald der erste Magen gelehrt ist, hält sich das nächste Kind den Kopf in die Plastiktüte. Zum Glück wirkt bereits meine Tablette gegen Car Sickness, sodass ich tiefenentspannt in der Lehne zwischen unseren Backpacks hänge und mich mit einem Pfefferminz-Inhalierstift aus Thailand ganz gut ablenken kann.

In Bajawa selbst gibt es nur wenige Homestays. Alle der fünf Gasthäuser befinden sich in einer Straße. Jeder kennt hier jeden. Das macht die Verständigung besonders einfach. Wir müssen nicht mal suchen, denn wir werden direkt vor der Tür unseres Gastgebers herausgeschmissen. Bajawa selbst hat unserer Meinung nicht viel zu bieten. Es eignet sich jedoch sehr gut als Ausgangsbasis für die umliegenden Bergdörfer.

Roller wird startklar gemacht
Roller wird startklar gemacht

Neben der vielen traditionellen Bergdörfer im Schatten des beeindruckenden Vulkan Inerie, ist das malerische Bena Village das bekanntere von allen. Hier leben die Menschen noch wie vor Hunderten von Jahren in traditionellen Holzhütten mit Dächern aus Palmenfasern. Es finden sogar noch regelmäßig Opferzeremonien statt, in denen Tiere (meist Hühner, Schweine oder gar Rinder) leider qualvoll hingerichtet werden. Die Frage nach dem „Warum?“ bleibt unverstanden. Opfergaben für die Götter!

Ein violetter Schal als Willkommensgruß
Ein violetter Schal als Willkommensgruß
Das Bergdorf Bena in malerischer Lage
Das Bergdorf Bena in malerischer Lage

Frauen präsentieren uns stolz ihre Webkünste und bieten ihre wunderschönen Sarongs zum Verkauf an. Kauende Einheimische lächeln freundlich zurück. Ihre wenigen Zähne sind bis in die Mundwinkel rot eingefärbt. Der erste Anblick erinnert an blutsaugende Vampire oder Kannibalismus. Völlig zu Unrecht. Es ist die Betelnuss, die die Färbung in ihren Mündern veranlasst. Im Norden der Philippinen bin ich erstmals auf diesen Kaukult gestoßen. Eingepackt in grüne Blätter wird sie in den Mund gesteckt und minutenlang durchgekaut.  Der dadurch entstehende tief rot eingefärbte Speichel wird regelmäßig ausgespuckt, was tatsächlich dem Aussehen von Blut gleicht. Durch den bitteren Geschmack würde sie den Geist beleben, auch wenn der Körper bereits müde ist, den Appetit eindämpfen und zugleich warmhalten. Nicht selten wird Kautabak beigemischt, um eine berauschende Wirkung zu erzielen und um damit das Wohlbefinden auf ein höheres Level zu bringen. Ob die Betelnuss gesund ist, bleibt für uns zweifelhaft. Während die Konsumenten darauf schwören, dass sie der Schlüssel zu einem langen und gesunden Leben sein würde, lesen wir von ernstzunehmenden Langzeitfolgen wie Krebs in der Mundhöhle sowie Speiseröhre bis hin zu Tod durch Atem- oder Herzstillstand.

Noch etwas weiter von Bajawa, aber auf gleicher Strecke gelegen, befinden sich die Malanage Hot Springs. Schon von weitem dampft es. Kaum zu glauben, aber da fließt tatsächlich ein Fluss mit mindestens 50 Grad heißem Wasser. Für ein Bad wäre dieses Wasser definitiv zu heiß. Wie praktisch, dass er in etwa 50m entfernt von uns in einen kalten Fluss mündet. Wir brauchen nicht lange zu überlegen und schon tauchen wir in den lauwarmen Strom ein. Es ist wohl bemerkt 2 Wochen her als wir unsere letzte warme Dusche genießen konnten. Bei den bisherigen Temperaturen war warmes Wasser auch nicht unbedingt nötig. Aber hier in den Bergregionen herrscht ein deutlich kühleres Klima, sodass dieser Natural – Jacuzzi ganz gelegen kommt.

Unser Dschungel Spa: Die Malanage Hot Springs
Unser Dschungel Spa: Die Malanage Hot Springs
Dampfend heißes Quellwasser trifft auf kühles Gewässer
Dampfend heißes Quellwasser trifft auf kühles Gewässer

Im Moment fängt es leicht zu nieseln an. Sekunden später prasselt es in Strömen auf die Wasseroberfläche. Um uns herum Bambuswald. Nur wir zwei. Dieser Moment. Und wie wir ihn genießen.

3. Etappe: Bajawa – Ende – Moni

Wir werden am Straßenrand von dem kleinen überschaubaren Örtchen namens Moni herausgelassen. Auf der Suche nach unserer Unterkunft. Wir steuern einen Hof auf dem Feld an. Der könnte zu den Bildern in der Beschreibung passen…mmmhh… oder auch nicht!? Das wird uns dummerweise erst dann klar, als wir samt Gepäck im Nirgendwo landen und von unserem Fahrer keine Spur mehr ist. Wir haken nach und rufen direkt bei unserem Homestay an. Die Abhol-Crew sei gleich unterwegs. Und tatsächlich. Wenige Minuten später kommen zwei Jungs im Teenageralter auf Rollern angesaust. Wir springen samt Gepäck auf den Rücksitz und erreichen ein etwas abgelegenes Grundstück mit vier hübschen Bambushütten. Eine davon, unser Zuhause für die nächsten Nächte.

Die meisten Reisenden kommen nach Moni wegen des Kelimutu Nationalparks. Ich dagegen, um meine immer heftig werdenden Magenbeschwerden auszukurieren. Fieber, Schwindel und Krämpfen in der Magengegend im Anmarsch. Zeit für ein Break. So verbringe ich einen gesamten Tag im Bett, eingehüllt in einem Moskitonetz-Schleier und versorgt mit dem Nötigsten: Papayas, Ingwer Tee und TannaComb. Am Abend gehts mir schon deutlich besser. Kein Vergleich zum frühen Vormittag, als ich auf dem Roller kreideweiß beinahe seitwärts die Biege gemacht hätte.

Daniel hilft beim Zubereiten des Abendessen, während Conny nebenan im Bettchen ihre Magenbeschwerden auskuriert
Daniel hilft beim Zubereiten des Abendessen, während Conny nebenan im Bettchen ihre Magenbeschwerden auskuriert
Gekocht wird über offener Flamme
Gekocht wird über offener Flamme

Und wer hätte das geahnt, zwei Tage später bin ich wieder auf den Beinen, sodass wir es doch noch auf den 1639m hochgelegenen Kelimutu schaffen, um die drei magischen verschiedenfarbige Kraterseen zu bestaunen. Man sagt, dass die Seelen der Verstorbenden durch die Seen wandern und die Farbe der Seen beeinflussen. Tatsächlich jedoch sind es die im Wasser befindlichen Mineralien, die den Farbwechsel hervorrufen. Je nach Zusammensetzung erscheinen die Seen in grellem Türkis, Rot oder gar Schwarz.

Magischer Anblick: Die Kraterseen in grellen Türkistönen
Magischer Anblick: Die Kraterseen in grellen Türkistönen
Über den Wolken: Kelimutu Nationalpark auf Flores
Über den Wolken: Kelimutu Nationalpark auf Flores

4. und letzte Etappe: Moni – Maumere

Ein Auto mit verdunkelten Scheiben stoppt direkt vor uns. Wir fragen: Maumere? Der Fahrer nickt. 100.000 pro Person – Alright! Die Reissäcke aus dem Fahrzeuginneren landen ungesichert auf dem Dach. Schließlich sind die schwer genug, um nur einen Zentimeter zu verrutschen. Den Platz in der dritten Sitzreihe zwischen Vater und Sohn nehmen unsere Backpacks ein. No Problem! Wir hüpfen auf die zweite Sitzbank. Oh wow, so viel Platz für uns alleine. Der Fahrer steckt sich eine Zigarette an und dreht den Reggae bis Anschlag auf. Dann geht’s los. Richtung Maumere.

Zurücklehnen und Reggae genießen
Zurücklehnen und Reggae genießen
Indonesien: Unser Inselabenteuer auf Flores. Hier in einem klassischen Bemo (Minivan/Kleinbus als öffentliches Verkehrsmittel)
Unser Inselabenteuer auf Flores. Hier in einem klassischen Bemo (Minivan/Kleinbus als öffentliches Verkehrsmittel)

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